Zur lustigen Witwe nach Karlsbad
Lag es am klangvollen Namen Karlovy Vary, an der Operette „Die lustige Witwe“ - oder woran sonst? Wie dem auch sei: Die Ankündigung, dass „Die lustige Witwe“ in tschechischer Sprache ohne Untertitel aufgeführt werde, hatte jedenfalls keine abschreckende Wirkung.
Von Alfons Zisler
Für die KulturTouren-Planer von Bavaria Bohemia e. V. um Kamila Spichtinger und Susanne Setzer schien es ein kalkulierbares Risiko, Franz Lehar´s wohl bekannteste Operette in Verbindung mit einer Besichtigung des renovierten Kaiserbades auf das Programm einer KulturTour zu setzen. Und so machte sich am Samstag, 21. Oktober 2023, ein nahezu voll besetzter Reisebus Richtung Westböhmen auf den Weg in die Stadt, die noch heute auf der ganzen Welt unter dem deutschen Namen Karlsbad bekannt ist.
Karlovy Vary – Karlsbad
Kamila Spichtinger nutzte die Anreise zur Einstimmung auf die Stadt und das Programm. Schon der gute Goethe war schwer angetan von dieser Ecke Böhmens und dem aparten Kurort. In einem Brief an Wilhelm von Humboldt schrieb er 1812: „Weimar, Karlsbad und Rom sind die einzigen Orte, wo ich leben möchte“. Und Alexander von Humboldt beschrieb das prunkvolle Kurzentrum mit den Worten „Karlsbad ist ein Brillant in einer Smaragdfassung“. Und, man darf es nach dem Besuch vorweg nehmen: Weder Goethe noch Humboldt hatten übertrieben.
Kaiser Karl IV. hatte dem nach ihm benannten Ort im Jahre 1370 zahlreiche Privilegien und Rechte verliehen. In Karlovy Vary und Umgebung gibt es mehr als 80 Quellen, wobei das Gros der Quellen heißes Wasser zutage fördert (auf Deutsch heißt vary „kochend“).
Kaiserbad
Karlsbad empfing die Reisegruppe aus Schönsee mit prächtigem Herbstwetter. Und so präsentierte sich das Kaiserbad I (Císařské lázně, auch: Lázně I) schon rein äußerlich in bestem Licht.
Erbaut zu Kaiser Franz Josefs Zeiten und 1895 feierlich eingeweiht, war es im Sozialismus dem Verfall preisgegeben. 1990 wurde der Betrieb eingestellt, danach stand es als schönste Ruine Westböhmens leer. Im Juni 2023 hat das einst pompöseste und luxuriöseste Bad der Stadt seine Eleganz wiedererlangt, gleich einer Metapher der vormaligen „DDR“-Hymne „Auferstanden aus Ruinen …“.
Als nationales Kulturdenkmal ist das Kaiserbad ein wichtiges Zeugnis der Glanzzeit des Karlsbader Kurwesens. Bei einer Führung erfuhr die Reisegruppe viel Interessantes von der Entstehungsgeschichte bis zur Gegenwart.
In leuchtendem Rot präsentiert sich im UG das Interieur des neu konzipierten Multifunktionssaales. Das einst offene Atrium kann nun als Konzertsaal genutzt werden.
Kaiser, Zaren und andere Größen der Zeitgeschichte weilten in Karlsbad zur Kur. Der Maler Wil-helm Schneider hat viele von ihnen 1914 auf großen Wandgemälden festgehalten. Stellvertretend seien genannt Maria Theresia, Wallenstein, Kaiser Franz Josef mit Kaiserin Elisabeth etc. Ein an-deres Gemälde zeigt die Bartholomäusnacht von 1572, den Massenmord an französischen Pro-testanten, den Hugenotten.
Das Kaiserbad vereinte makellose Schönheit mit der modernen Technik seiner Zeit. So war bzw. ist beispielsweise des Kaisers Badezimmer mit einer versenkbaren Wanne ausgestattet, was auf besonderes Besucherinteresse stieß.
Im OG steht der mit viel Holzdekor prächtig gezierte Zandersaal für gesellschaftliche Veran-staltungen zur Verfügung.
46 Mio Euro hat die Stadt Karlsbad für die Rekonstruktion dieses bedeutenden Denkmals der Karlsbader Region aufgewendet – gut angelegtes Geld, wie aus der Gruppe mehrfach zu ver-nehmen war.
Spaziergang durch das Kurzentrum
Der Weg zum Abendessen im Hotel-Restaurant Ruže („Rose“) führte entlang des Flusslaufs der Teplá durch das Kurzentrum mit seinen Prunkgebäuden und Kolonnaden. Das gesamte Kur-zentrum ist eine Augenweide und lädt zu Spaziergängen ein – mit oder ohne Schnabeltasse.
Direkt neben dem Kaiserbad befindet sich mit dem Grandhotel Pupp das erste Haus am Platz. Der Name geht auf den Zuckerbäcker Pupp zurück, der durch Heirat zu Reichtum gekommen war und das Hotel käuflich erworben hatte. Das Grandhotel Pupp ist das berühmteste Hotel Karlsbads. Ende des 19. Jh. galt es als eines der nobelsten Häuser der Welt. Es war die bevorzugte Adresse des Adels, ein Ort um zu sehen und gesehen zu werden. Zur sozialistischen Zeit hieß das Hotel Moskva.
Vorbei an der der Marktkolonnade, einem Schnitzwerk in Weiß, gelangt man zur Mühl-brunnenkolonnade, einer 130 m langen Säulenhalle im korinthischen Stil. Hier kann man das Wasser aus gleich fünf Quellen kosten. Die Stadt verfügt über 12 Quellen. Die Sprudelkolonnade, ein unschöner Komplex aus Glas und Beton aus sozialistischer Zeit, ist mit 73,4 Grad Celsius die heißeste und am längsten genutzte Quelle der Stadt. Zu Anfang des 18. Jh. glaubte man, das Trinken von Karlsbader Wasser könne Armut heilen. Allein, es blieb beim Glauben (zumindest für die Kurgäste) …
Becherovka – die 13. Quelle
„Karlovy Vary bez becherovky nejde“ – Karlsbad ohne Becherovka, das geht gar nicht …
Becherovka ist der berühmteste Likör des Landes und wird in Karlsbad auch liebevoll die „13. Quelle“ genannt. Denn, wie den Mineralquellen vor Ort schreibt man auch dem Kräuterlikör eine heilende Wirkung zu. Und – wie zu beobachten – ließen es sich einige Gäste der Reisegruppe nicht nehmen, im Restaurant Ruže das Abendessen mit einem „Heilwasser“ aus der „13. Quelle“ abzurunden.
Stadttheater
Des Abends Höhepunkt wartete im Stadttheater (Městské divadlo) von Karlsbad: Die Operette „Die lustige Witwe“ (tschechisch „Vdova veselá)“ von Franz Lehár. Das Theater, in welchem schon Gustav Mahler dirigierte, entstand in den Jahren 1884-1886. Sehenswert ist der schmucke Zu-schauersaal und dort insbesondere der Bühnenvorhang. Der berühmteste Vertreter der Wiener Secession, Gustav Klimt, arbeitete am Vorhang mit und porträtierte sich selbst darauf als Flöten- spieler. Das Theater bietet 475 Sitze.
Franz Lehár (1870 – 1948)
Franz Lehár gilt als bedeutender Vertreter heiter-lustiger Musik.
„Ich bin nicht auf die Welt gekommen, um das Leben zu genießen, sondern um anderen Menschen Freude zu machen“ sagte Franz Lehár, und dies ist ihm unzweifelhaft gelungen, dem Komponisten von Melodien wie „Lippen schweigen“, „Dein ist mein ganzes Herz“ oder „Es steht ein Soldat am Wolgastrand“. Vor 75 Jahren, am 24. Oktober 1948 starb der König der Operette in Bad Ischl.
Operette „Die lustige Witwe“
„Die lustige Witwe“ ist Lehárs erfolgreichste und bekannteste Operette. Mit ihr gelang Lehár 1905 ein echter Welterfolg , der ihm auch finanziell erhebliche Einnahmen bescherte. Allein zwischen 1905 und dem Todesjahr 1948 wurde die Operette weltweit über 300.000 Mal aufgeführt. Daneben wurde sie mehrfach verfilmt, zuletzt 1952 mit Johannes Heesters und 1962 mit Peter Alexander als Graf Danilo.
„Die lustige Witwe“ ist ein Werk voller unvergesslicher Melodien, pulsierender und unberechenba-rer Vitalität. Bunte Unterhaltung vom Auftakt bis zum Schlussapplaus. Dass die Operette in tsche-chischer Sprache ohne Untertitel aufgeführt wurde verkam zur Nebensächlichkeit und war, wie schon eingangs erwähnt, für die Verantwortlichen von Bavaria Bohemia e. V. kein wirkliches Risiko…






